Bienenwabe

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2004

02.03.2004  Zeitungsbericht Schwäbisches Tagblatt.

LEBENSMITTEL / Imker bangen um ihre Existenz

Nur Bienen ist die Gentechnik egal

REINER RUF

Der Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft stellt die Imker im Südwesten vor schier unlösbare Probleme. Viele sehen sich in ihrer Existenz bedroht, denn gentechnikfreien Honig wird es nicht mehr geben, wenn auf Rapsfeldern genveränderte Pflanzen wachsen.

STUTTGART • Die Unsicherheit ist groß in der Welt der Bienenzüchter und Bienenhalter, und dieser Kosmos reicht weiter, als der Laie zunächst annimmt. Rund 16.000 Imker gibt es in Baden-Württemberg ausweislich der Regierungsantwort auf eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Jürgen Walter, wobei statistisch nur erfasst ist, wer einem Imker-Verein angehört. Sie sind von der Nutzung der Agrar-Gentechnik unmittelbar betroffen. Denn ein Bienenvolk beweidet eine Fläche von 30 bis 160 Quadratkilometern. Laben sich die Bienen zur Rapsblüte an deren besonders leckerem Nektar, so machen sie keinen Unterschied zwischen Pflanzen mit und ohne gentechnisch verändertem Erbgut.

Gentechnikfreien Honig wird es dann nicht mehr geben. Nach Einschätzung des Landesagrarministeriums auch dann nicht, wenn sich Landwirte lokal oder gar regional auf einen Gentechnik-Verzicht verständigten. Darin erkennt auch das Ministerium ein Problem: „Honig gilt bei Verbrauchern als ein naturbelassenes Produkt und hat dadurch ein besonderes Image." Der Deutsche Berufsimkerbund sieht nun seine Klientel in der Existenz bedroht. Dabei verweist er auf die kanadischen Kollegen, deren Rapshonig Pollen 30 Prozent Gentechnik-Erbgut aufweist und deshalb zum Ladenhüter wurde. Ob Honig überhaupt unter die Kennzeichnungspflicht der EU fällt, ist laut Agrarministerium noch nicht klar.

Als tierisches Veredelungsprodukt könnte er von der Deklarierung verschont bleiben, was den Erzeugern aber auch nicht hülfe. Im Gegenteil: Der Verdacht der Verbraucher auf Verunreinigungen bliebe unausgeräumt. Kommt es zur Kennzeichnungspflicht, ist offen, ob der Schwellenwert von 0,9 Prozent für den Honig oder „nur" für die im Honig enthaltenen Pollen gilt. Hans-Ulrich Waiblinger vom Chemischen Untersuchungsamt Freiburg hält Letzteres keineswegs für abwegig. In diesem Fall, so ist zu erwarten, erhielten viele Honig-Gläser den Gentechnik-Stempel.

Die dafür nötige Labor-Analyse geht ins Geld. Die meisten Imker, sagt der Rottenburger Bio-Imker Jürgen Binder, kommen auf eine Jahresernte von 500 Kilogramm Honig. Dafür erlösen sie 1.500 Euro. Allein 500 Euro müssten sie davon für die Laboranalyse aufwenden. Binder ist nicht nur Bio-Imker, sondern mit 500 Bienenvölkern auch einer der wenigen Berufsimker im Land. Koexistenz der Landwirtschaft mit und ohne Gentechnik kann es für ihn nicht geben. Er muss Honig mit 0,0 Prozent Gentechnik produzieren. Ihm geht es an die nackte Existenz. Auf lange Sicht hin sieht Binder auch die Bestäubung der Pflanzen in Landwirtschaft und freier Natur in Gefahr. Denn hören die Berufsimker auf, sagt Binder, „fällt die Hälfte der Bienenvölker weg".